Autor

Dr. med. Timo Pauli, MBA

Veröffentlicht am

27.1.2022

Gedächtnisstörungen und Demenz

Gedächtnisstörungen und andere Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit können Symptome einer Demenz sein, aber auch von vielen anderen Gesundheitszuständen. Viele, die bei sich oder anderen Gedächtnisstörungen feststellen, machen sich oft große Sorgen. Hier finden Sie die wichtigsten Informationen rund um dieses Thema.

Als Demenz werden Erkrankungen bezeichnet, bei denen es in einem häufig fortschreitenden Prozess zu Störungen der Gedächtnisleistungen und der Kognition kommt. Typische Beschwerden sind Schwierigkeiten beim Speichern neuer oder beim Erinnern früher gespeicherter Informationen, Probleme mit der Urteilsfähigkeit und Informationsverarbeitung, der Planungs- und Handlungsfähigkeit. Manchmal können auch Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit oder Antriebslosigkeit auftreten. Es kann auch vorkommen, dass Betroffene mit ihrem Verhalten aus der sozialen Rolle fallen und leicht in Konflikte mit Mitmenschen geraten. Doch nicht jedes Auftreten von Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen bedeutet automatisch, dass eine Demenz droht. 

Gedächtnisstörungen - Wovon reden wir eigentlich?

Wenn Menschen über Gedächtnisstörungen oder Vergesslichkeit klagen, können unterschiedliche Störungen der kognitiven Funktionen vorliegen, weshalb eine genaue Unterscheidung hier sehr wichtig sein kann. Die kognitiven Funktionen werden in einzelne Teilbereiche (Domänen) unterteilt: Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Gedächtnis und die Exekutivfunktionen. Wahrnehmung und Aufmerksamkeit beschreiben die Fähigkeit, sich auf Informationen aus der Umwelt zu konzentrieren und diese verlässlich aufzunehmen. Das Arbeitsgedächtnis verarbeitet Informationen, mit der das Gehirn aktuell beschäftigt ist. Informationen, die länger gespeichert werden müssen, werden in das Gedächtnis übertragen, wobei zwischen Kurzzeitgedächtnis und Langzeitgedächtnis unterschieden werden kann. Die Exekutivfunktionen steuern komplexe Handlungsabläufe und Verhaltensweisen. Wenn also berichtet wird, dass eine Person vergessen habe, Kaffee zu kochen, könnte dies Ursachen in unterschiedlichen Domänen haben. Die Person könnte die Information, dass jetzt Kaffee gekocht werden soll, nicht richtig verstanden und aufgenommen haben (Aufmerksamkeitsstörung); sie könnte auch die Information, dass jetzt Kaffee gekocht werden soll, zwar richtig aufgenommen, aber auf dem Weg in die Küche wieder vergessen haben (Kurzzeitgedächtnisstörung); sie könnte aber auch zwar die Information aufgenommen und gespeichert haben, aber die korrekte Reihenfolge der Handlungsabläufe an der Kaffeemaschine nicht mehr abrufen können (Störung der Exekutivfunktionen). 

Gedächtnisstörungen - Ab wann muss ich mir Sorgen machen?

Das Auftreten von Gedächtnisstörungen bedeutet nicht automatisch, dass eine ernsthafte Erkrankung oder gar eine Demenz vorliegt. Etwa ab dem 50. Lebensjahr lässt bei jedem Menschen die Leistungsfähigkeit in allen kognitiven Domänen langsam nach. Dies ist Ausdruck des normalen Alterungsprozesses, von dem auch das Gehirn nicht verschont bleibt. Besonders bei vielen oder komplexen Anforderungen kann das Gehirn hier bei Aufgaben an seine Grenzen stoßen, die früher problemlos bewältigt werden konnten. Es ist außerdem bekannt, dass das Gehirn unter Stress, bei Druck und mit Angst in seinen kognitiven Domänen nicht mehr so gut funktionieren kann, da das Gehirn bereits mit den anderen Dingen beschäftigt ist und nicht mehr so viele Reserven frei sind. Typisch bei diesem Phänomen ist, dass alles wieder besser klappt, wenn der Stress nachlässt. Wenn es durch kognitive Störung zu beobachtbaren Einschränkung im Alltag kommt, sollte immer eine ärztliche Untersuchung erfolgen, um zu klären, was die Ursache sein kann. Das gleiche gilt auch, wenn eine langsam voranschreitende Verschlechterung der kognitiven Leistungsfähigkeit beobachtet wird oder wenn neue Auffälligkeiten hinzutreten.

Gedächtnisstörungen bei Depression und anderen Erkrankungen

Da die Gedächtniszentren und die Stresssysteme im Gehirn eng miteinander verschaltet sind, entwickeln Menschen mit Depression auch fast immer Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Während jüngere Menschen dies oft nicht so sehr wahrnehmen, kann dies bei älteren Menschen mit Depression eine große Rolle spielen. Manchmal können bei einer Altersdepression die kognitiven Störungen sehr im Vordergrund stehen und die typischen depressiven Symptome fast überdecken. Wenn die Depression behandelt und gebessert ist, lassen in der Regel auch die Gedächtnisstörungen wieder nach. Es gibt außerdem zahlreiche körperliche Erkrankungen, die sich mit Symptomen einer Demenz bemerkbar machen können. Dazu zählen Schilddrüsenerkrankungen, Vitamin-Mangel, Schlaganfall, Tumorerkrankungen, Infektionserkrankungen, Gehirnentzündungen und Stoffwechselstörungen. Oft werden auch hier die Gedächtnisstörungen wieder besser, wenn die zugrundeliegenden Erkrankungen behandelt werden, weshalb es besonders wichtig ist, diese frühzeitig zu erkennen. Manchmal können auch Nebenwirkungen von Medikamenten Symptome einer Demenz verursachen oder verschlechtern, so dass grade bei älteren Menschen, die viele Medikamente einnehmen müssen, ein genauer Blick auf den Medikamentenplan erfolgen muss.

Gedächtnisstörung

Demenz-Krankheiten

Alzheimer-Demenz

Die Alzheimer-Demenz zählt zu den häufigsten Demenzformen. Durch Ablagerung der Eiweißmoleküle Tau und Beta-Amyloid in bestimmten Hirnregionen, kommt es zu langsam und kontinuierlich voranschreitenden Störungen des Kurzzeitgedächtnis und der räumlichen Orientierung, wobei die Probleme häufig lange unbemerkt bleiben, da betroffene Personen die Störungen oft noch eine längere Zeit überspielen können.

Vaskuläre Demenz

Ursache von vaskulären Demenzen sind Erkrankungen der Blutgefäße am Gehirn. Wenn sich über viele Jahre Arterioklerose in den kleinen Arterien des Gehirns entwickelt, kommt es zu einer Art chronischen Durchblutungsstörung, die dann die weiße Hirnsubstanz zunehmend schädigt. Je mehr Schädigungen der weißen Hirnsubstanz sich anhäufen, desto ausgeprägter können die kognitiven Störungen sein. Typisch sind bei dieser Form der Demenz Störungen der Exekutivfunktionen, also Störungen in den Alltagshandlungen, die mal lange stabil, mal sich plötzlich verschlechtern oder sehr von der Tagesform abhängen können. Menschen mit vaskulären Demenzen können die Symptome oft nicht lange verstecken. Nicht selten kommt es auch zu Stimmungsschwankungen oder Gereiztheit, manchmal auch Verhaltensstörungen.

Demenzen mit Parkinson-Syndrom

Die klassische Parkinson-Krankheit mit ihren typischen Symptomen Zittern, Bewegungsverlangsamung und Muskelsteifheit gehört zu den häufigen neurodegenerativen Erkrankungen. In fortgeschrittenen Fällen könne zusätzlich Symptome einer Demenz hinzukommen, die Parkinson-Demenz. Auch hier finden sich häufig Störungen der Exekutivfunktionen. Begleitende psychiatrische Symptome wie Stimmungsschwankungen, Gereiztheit oder Aggressivität, aber auch Depression oder Psychosen können die Betreuung und Behandlung erheblich erschweren. Bei der Lewy-Körperchen-Erkrankung treten zusätzlich intensive, szenische Halluzinationen und Verkennungen hinzu. Die progressive supranukleäre Blickparese, die kortikobasale Degeneration und die Multisystematrophie gehören auch in die Gruppe der neurodegenerativen Erkrankungen aus dem Parkinson-Spektrum mit jeweils charakteristischem Symptombild, auch wenn kognitive Störungen hier nur eine untergeordnete Rolle spielen. 

Weniger bekannte Demenzformen

Eine weniger bekannte Gruppe von Demenzerkrankungen ist die Frontotemporale Lobärdegeneration, die jedoch gar nicht so selten sind. Bei der Behavioralen Variante (früher Frontotemporale Demenz genannt) stehen vor allem Persönlichkeitsveränderung, Stimmungsschwankungen, sozial unangepasstes Verhalten und andere erhebliche Verhaltensstörungen im Vordergrund. Bei der Progressiven Nicht-flüssigen Aphasie und der Semantischen Demenz kommt es zunächst isoliert zu Sprachstörungen (stockender Sprachfluss, Wortfindungsstörungen oder verdrehte Worte), erst im späterem Verlauf dann auch zu kognitiven Störungen. Eine erst vor wenigen Jahren entdeckte und vermutlich recht häufige Erkrankung ist die Limbic-predominant age-related TDP-43 encephalopathy (LATE). Es gibt Hinweise, dass sich hier oft recht rasch voranschreitende kognitive Störungen erstmalig in sehr hohem Lebensalter entwickeln, wobei das Kurzzeitgedächtnis nicht so sehr betroffen ist, wie die anderen kognitiven Domänen. Sehr selten ist die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, die jedoch in der Regel rasch voranschreitend verläuft. Hier verursache fehlgefaltete Proteine, die Prionen, einen sich ausbreitenden Untergang von Hirnzellen.

Diagnostik und Behandlung bei Demenz

Zur Diagnostik von Gedächtnisstörungen und anderen kognitiven Störungen gehören eine ausführliche Erfassung der Beschwerden und des bisherigen Verlaufes, sowie eine neurologische und psychiatrische Untersuchung. Das Ausmaß kognitiver Störungen kann mittels Testverfahren objektiviert werden. Zum Ausschluss anderer Ursachen sind in der Regel Laboruntersuchungen erforderlich. Eine Computer- oder Kernspintomographie hilft bei der Einordnung der Symptome. Bei Unsicherheiten in der Diagnose oder bei besonderen Fragestellungen stehen noch weiterführende laborchemische und apparative Untersuchungen zur Verfügung. Je nach gestellter Diagnose können verschiedene Behandlungsstrategien ergriffen werden. Bei bestimmten Demenzen können Medikamente eingesetzt werden. Symptome, welche die Lebensqualität einschränken (z.B. Schlafstörungen, Unruhe, Angst, Depression), können über medikamentöse und nicht-medikamentöse Ansätze gebessert werden. Förderung und Erhalt von kognitiven Leistungen und körperlicher Aktivität spielen eine wichtige Rolle. Betroffene Menschen und deren Angehörige müssen umfassend informiert und geschult werden, um den Verlauf der Erkrankung möglichst gut bewältigen zu können. Selbsthilfegruppen und Entlastungsangebote für betreuende Angehörige sind hier ergänzend besonders wichtig.

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